
So gewinnt man den Kampf für Windmühlen
Der Kampf gegen Windräder, schrieb Albert Camus vor nicht ganz 90 Jahren, vermöge ein Menschenherz auszufüllen. Der französische Philosoph hat das aber nicht ganz wörtlich gemeint: Er wollte damit vor allem seine Landsleute ermuntern, im Widerstand gegen die Nazis nicht die Segel zu streichen. Und er empfand eine gewisse Sympathie für Don Quijote, den aus der Zeit gefallenen drolligen Landadeligen, der seinem Pferd Rosinante zornig die Sporen gab, wenn eine der ihm so verhassten Mühlen am Horizont auftauchte. Die Romanfigur Don Quijote sah darin ein Zeichen des Fortschritts, mit dem er nichts anfangen konnte. Dieses absurde Verhalten rührte den romantisch veranlagten Denker Camus.
Nicht jede Kritik ist nachvollziehbar
Wenn heute Menschen und NGOs den Kampf gegen Windräder aufnehmen, hat das meist wenig mit Romantik zu tun. Zweifellos haben viele ehrbare Motive: Sie fürchten, dass die Natur verschandelt wird. Dass die Geräusche Tiere verschrecken. Oder dass Singvögel in den riesigen Flügeln ums Leben kommen. Aber unter jene, die ein nachvollziehbares Unbehagen ausdrücken, mischen sich oft organisierte Gruppierungen, die von fern kommen und ganz andere Ziele haben. „Sie kommen oft aus anderen europäischen Ländern, um gegen eine Windanlage zu mobilisieren“, sagt der Bürgermeister der oberösterreichischen Gemeinde Schalchen, Andreas Stuhlberger. Dort soll demnächst ein Windpark gebaut werden und es sei sehr auffällig, meint er, wie versucht werde, von außen Widerstand in die Bevölkerung zu tragen. In Schalchen hat das nicht verfangen: Es gibt bereits einen Windpark in der Region, an den sich die Leute längst gewöhnt haben. Sie wissen, dass die Argumente gegen Windkraft aufgebauscht werden. Wenn die Umweltverträglichkeitsprüfung abgeschlossen ist, wird in Schalchen gebaut – und das stört kaum wen in der Gemeinde.
Windräder sind weithin sichtbar
Tatsache ist aber: Keine Form der erneuerbaren Energie ist in Österreich so umstritten wie die Windkraft. Das mag daran liegen, dass die mächtigen Anlagen von weither sichtbar sind: Sie schmiegen sich nicht verschämt an Hausdächer wie Photovoltaikanlagen. Sie sind nicht versteckt in Gebäuden wie Biomasseanlagen. Nicht im Boden versenkt wie Wärmepumpen. Sie gehören auch nicht seit Ewigkeiten zum Ortsbild wie Wasserkraftwerke. Windräder sind groß. Ja, man kann sie hören. Und ja: Manchmal werden sie einem Spatz zum Verhängnis. Vor allem aber sind sie ein Statement: Diese Gemeinde, diese Region meint es besonders ernst mit der Energiewende. Das sollen ruhig alle sehen. Auch deshalb sind Windräder ein Feindbild für alle, die ein Problem mit erneuerbaren Energien haben. Nennen wir das Kind beim Namen: Dahinter stecken nicht selten Leute, die sehr viel Geld mit Öl und Gas verdienen. So viel Geld, dass sie pseudowissenschaftliche Studien in Auftrag geben können, wonach der Ausstoß von Treibhausgasen durch fossile Energieträger völlig unbedenklich, das Aufstellen von Windrädern aber höchst problematisch sei.

Zur Person
Bürgermeister Manfred Führer hat sich gegen viele Widerstände durchgesetzt.
Man kann sich die Finger verbrennen
Wer als Bürgermeisterin oder Bürgermeister in der Gemeinde für den Bau einer Windkraftanlage plädiert, bewegt sich in diesem Spannungsfeld. Nicht wenige haben den Widerstand unterschätzt, der sich mitunter ohne Vorwarnung Bahn bricht – allzu oft befeuert durch die sozialen Medien. Kein Wunder, dass viele, die in einer Gemeinde Verantwortung tragen, höllisch Angst haben, sich die Finger zu verbrennen. Dabei gibt es in Österreich ein deutliches Ost-West-Gefälle. Rund um Wien, in Niederösterreich und im Burgenland, auch in Teilen Oberösterreichs gehören Windräder teils seit Jahrzehnten zum Landschaftsbild. Die Kolosse werden kaum noch wahrgenommen.
Weiter westlich haben Windräder traditionell Seltenheitswert. Hier ist der Widerstand besonders heftig. Das führte zuletzt in Kärnten dazu, dass sich eine knappe Mehrheit der Bevölkerung in einer Volksbefragung grundsätzlich gegen den Bau neuer Windkraftanlagen ausgesprochen hat. Das Ergebnis ist nicht verbindlich für die Landesregierung in Klagenfurt. Man hat einen Kompromiss gefunden, der ungefähr so lautet: Es sollen eher keine neuen Windräder mehr gebaut werden.
Zwei Referenden, zwei Ergebnisse
Schon jetzt gibt es aber im Süden einige Windparks, einige weitere sind bereits bewilligt und gebaut – unabhängig vom Ausgang der Volksbefragung. Dazu gehört jener in der Gemeinde Reichenfels, auf der sogenannten Perterer Alpe. Bürgermeister Manfred Führer steht hinter der Anlage mit acht Windrädern, die 2027 fertiggestellt werden und dann Strom für 20.000 Haushalte liefern soll. Schon lange vor dem landesweiten Referendum hat er für das Projekt gekämpft und die Bevölkerung vor zwei Jahren darüber abstimmen lassen. Am Ende haben sich 69 Prozent der Reichenfelserinnen und Reichenfelser für die Anlage ausgesprochen.
Bürgermeister Führer hat im Zuge des Referendums vieles richtig gemacht. Auch der Zeitpunkt der Befragung spielte ihm in die Hände. Ein halbes Jahr zuvor hatte Russland die Ukraine angegriffen, aufgrund der scharfen Reaktionen des Westens explodierten im Sommer nicht nur die Gaspreise, auch die Kosten für Strom aus anderen Energiequellen vervielfachten sich. In ganz Österreich machte sich damals leise Panik vor dem Winter bemerkbar, wenn viele Haushalte nicht mehr imstande sein würden, die Kosten für Strom und Heizung zu berappen. In dieser Phase fielen die Argumente des Bürgermeisters auf besonders fruchtbaren Boden. Die Energiekrise hat zweifellos eine Rolle gespielt. Ebenso wie Führers bedächtiger Umgang mit dem Thema, der auf eine Versachlichung der Debatte abzielte.
Die Gegenargumente sind ja nicht völlig falsch.
Man gewöhnt sich daran
Was antwortet er Kritikerinnen und Kritikern, die einwenden, dass die Anlage „schiach“ sei, laut und eine Gefahr für Vögel? „Die Argumente sind ja nicht völlig falsch“, sagt er. Aber am Ende würden die Vorteile deutlich überwiegen: „Nämlich die Unabhängigkeit von Gas und Atomstrom aus dem Ausland. Ganz abgesehen vom Klimaschutz.“ In Führers Büro hängen zwei Bilder von der weitgehend unberührten Perterer Alpe. Eines mit, eines ohne Windräder. Wenn Leute zu ihm kommen, die gegen das Projekt sind, fragt er gerne, was ihnen beim zweiten Bild auffällt. „Keine Windräder“, lautet die Antwort meist. „Stimmt“, entgegnet der Bürgermeister dann. „Aber fallen Ihnen die riesigen Strommasten und die Hochspannungsleitung nicht auf?“ Dann, meint er, sei sein Gegenüber meist etwas sprachlos. Das Argument greift: Wenn man sich an „schiache“ Objekte einmal gewöhnt hat, fallen sie einem nicht mehr wirklich auf.
Freilich: Bei der landesweiten -Volksbefragung zum Thema Windkraft hat sich auch in der Gemeinde Reichenfels eine klare Ablehnung ergeben. Hat sich die Stimmung wieder gedreht? „Möglich“, meint Führer. „Ich denke, es ging dabei um eine Anlage, die bereits angedacht war.“ Er wollte noch einen zweiten Windpark bauen lassen, auf der gegenüberliegenden Seite des Berges. Das war den Leuten dann zu viel.
Pro und contra Windkraft
- Effizienz. Windkraftanlagen erzeugen große Mengen an sauberer, erneuerbarer Energie. Sie sind ein wichtiger Faktor der Energiewende.
- Unerschöpflich. Wenn der Standort passt, liefert eine Anlage zuverlässig und unerschöpflich Energie. Die Wartungskosten sind gering, die Lebenszeit lang.
- Landschaftsbild. Die mächtigen Windräder stehen oft mitten in der Natur und sind weithin sichtbar. Sie sorgen auch für Geräusche, die viele stören.
- Vögel. Immer wieder werden die Rotorblätter Vögeln zum Verhängnis.